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Kisby's Hus ~ 32kb
Erikas "Stammhaus" in Nyborg/Dänemark


Tagebuch einer Reise mit der
"MY Tammina"
zu den schwedischen Westschären


Kapitel 1
Von Lübeck-Schlutup nach Samsö
12. bis 18. Juni 2002
Übersichtskarte eins


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Ein kurzer Tagestörn: Vom Grossenbroder Binnensee (2) nach Heiligenhafen (3)
15.06.2002

Als ich um fünf Uhr aufstehe und den Kopf aus der Kajüttür stecke, empfängt mich ungemütliches Wetter mit schlechter Sicht und einem Südostwind der Stärke vier. Wie angekündigt, geht eine Kaltfront durch. Erst nach deren Passieren wird der Wind drehen und die Luft aufklaren. Den am vorigen Tag angedachten Versuch den Fehmarnbelt zu queren und heute nach Dänemark zu gelangen, gebe ich schnell auf, zu ungemütlich ist der Kurs in Richtung Staberhuk - der Südostspitze von Fehmarn - quer zu Welle und Wind. Nach einer halben Stunde Knüppelei ändere ich unseren Kurs in Richtung Westen auf ein neues Ziel. Durch den Fehmarnsund - zwischen Insel und Festland gelegen - nach Heiligenhafen um einzukaufen und die Batterien aufzuladen, so lautet die aktuelle Planung.
Um neun erreichen wir die rotweiße Ansteuerungstonne östlich des Sunds und gemeinsam mit mehr als fünfzehn von bunten Spinnakern vorangetrieben Segelyachten einer Klubregatta passieren wir die markante Brücke über die Meerenge. Bei der Durchfahrt unter den großen stählernen Bauwerk kommt mir meine dreißig Jahre zurück liegende Ersatzdienstzeit im Landeskrankenhaus Heiligenhafen in den Sinn. Ein Freund und ich hatten herausgefunden, dass man im Inneren des Hohlkörpers der Brückenbögen bequem auf einer Stahltreppe bis zum Scheitelpunkt steigen kann und dort über eine Ausstiegsluke den oberen Teil der Brücke erreicht. Von hier aus bietet sich ein weiter Blick über Meer, Insel und Festland. Die durchlaufenden Schiffe wirken aus dieser Höhe wie Spielzeugboote, die Autos als ob man sie in eine Matchboxschachtel stecken könnte. Wenn ein Zug die Brücke überquert, erzittert das gesamte Bauwerk und am obersten Punkt ist dies besonders beeindruckend. An den ungesicherten Rand der Plattform hatte ich mich allerdings nicht gewagt, meine Höhenangst lässt mich in solchen Situationen zurückschrecken. Ich weiß nicht, ob heute, mehr als 33 Jahre nach meiner Ersatzdienstzeit, die Türen am Fuß der Brückenbögen noch immer unverschlossen sind. Falls ja, lohnt sich der Aufstieg für Abenteuerlustige auf jeden Fall. Kurz hinter der Brücke trennen sich der Regattakurs und der unsrige, denn wir wollen in den Hafen, während die Segler anscheinend die Insel Fehmarn (a) runden werden.
Gegen zehn ist die Tammina in der großen städtischen Marina auf einem freien Platz vertäut. Die Sonne lacht uns wieder freundlich zu. Nachdem wir uns in der Hafenmeisterei ehrlich gemacht haben - ein junger Mann berechnet uns 2,50 Euro für drei Stunden Liegezeit - suchen wir den Ort auf, um unsere Besorgungen zu erledigen. Wir haben Glück, es ist Markttag und so herrscht auf dem Marktplatz ein reges Treiben. Frische Gemüse - Paprika, Blumenkohl und Salat - sowie Obst - Kirschen, Erdbeeren und Äpfel - bereichern unseren Speiseplan in den nächsten Tagen. Ein Restposten-Verkäufer lockt mich mit diversen unwiderstehlichen Messing- und Niroschrauben und knöpft mir bei meinem Versuch zu sparen einige Euros ab. Eine Batterie für Erikas Fotoapparat finden wir in einem Spezialgeschäft nahe des Marktplatzes - Euro 9,50
))-; vor der "Währungsreform" DM 16,50. Um halb eins sind wir wieder auf dem Boot. Inzwischen hat der Wind zugelegt und auf West-Süd-West gedreht. Die Windvorhersagen sind heutzutage präzise und zutreffend, insbesondere die Richtung stimmt meist, die Windgeschwindigkeit kann örtlich bis zu zwei Windstärken mehr oder weniger betragen .

Boote vor der Fermarnsundbrücke 30 ~ kb

Am Ankerplatz in Heiligenhafen, Blick auf die Fehmarnsundbrücke


Kurz nach vierzehn Uhr, wir haben das Ende eines kräftigen Schauers abgewartet, verlassen wir den Hafen, um unseren avisierten und gut gegen westliche Winde geschützten Ankerplatz an der Einfahrt nach Heilgenhafen, dicht neben der Fahrrinne beim Devitationsdalben aufzusuchen. Eine halbe Stunde später schwojt die Tammina wie gewohnt in dem stetig zunehmenden Westwind.
Ich mixe "Meine leckere Salatsauce" zusammen und mit gutem Appetit genießen wir unser Mahl aus bunt belegten Broten und Salat. Das Schollenfilet, das mich im Fischgeschäft so verführerisch angelacht hatte und dem ich nicht widerstehen konnte, bereite ich am Abend zusammen mit Bratkartoffeln und serviere dazu den Rest des Salats mit der reichlich hergestellten Sauce.
Auch Morgen am Sonntag werden wir hier vor Anker liegen bleiben, eine vorhergesagte Wellenhöhe in der westlichen Ostsee von anderthalb Metern verbietet die Weiterfahrt.

Vor Anker bei Heiligenhafen 30 ~ kb

Ein Nachbar am Ankerplatz in Heiligenhafen


Ein weiterer Wartetag - mittags das obligatorische Bad, das durch die kleinen Wellen, die der frische Wind aufgeworfen hat, zu einem besonderen Vergnügen wird. Wie angenehm und entspannend ist es, sich in der Stellung "Toter Mann" von den Wellen wiegen zu lassen.
Nach Bad und einem kleinen Mittagsimbiss beginne ich ein neues Buch zu lesen. Es ist der Roman "Einst wird kommen der Tag" von Taylor Caldwell. Ich werde den dicken Schinken zum dritten Male lesen. An das erste Mal erinnere ich mich kaum, jedoch fesselte mich die Familiensaga schon damals. Die zweite Lesung erfolgte in den Achtzigern, als mir das Buch zufällig in einem Antiquariat ins Auge fiel und gleich gekauft wurde. Die Geschichte wirkte auf mich noch immer wie eine Anklage gegen die Machenschaften einer übermächtigen Rüstungsindustrie. Dieses Mal erscheint mir die Erzählung oft flach und von allerlei Vorurteilen geprägt, eine unbestreitbare Faszination geht von der anschaulich geschilderten Lebensgeschichte des Protangonisten, einem rücksichtslosen Aufsteigers und gewissenlosen Waffenfabrikanten aus. Den Roman veröffentlichte Caldwell 1938 unter dem Originaltitel "Dynasty of Death".
Am Nachmittag bereite ich die auf dem Markt erstandenen Paprikaschoten mit einer leckeren Hackfüllung und Tomatensauce, eine der Lieblingsspeisen meines weiblichen Maats. Hierbei bewährt sich die mitgeführte Mikrowelle, die über einen Wandler/Gleichrichter von den 24-Volt-Batterien mit 220 Volt versorgt wird. Die Installation bietet einen Komfort wie in der häuslichen Umgebung. Ein rechter Stromfresser ist das Gerät aber allemal.


Der erste lange Schlag: Von Heiligenhafen (3) nach Nyborg (4), Erikas Familiensitz
17.06.2002

Endlich das ersehnte Reisewetter, ein leichter Wind aus Südwest weht mit Stärke eins bis zwei. Der Himmel ist, als wir um acht den Anker lichten, noch bedeckt, aber schon eine halbe Stunde später, beim Erreichen der Ansteuerungstonne von Heiligenhafen, reißt die Wolkendecke auf und ein Sonnentag kündigt sich an. Ich entscheide mich, nach der Querung des Fehmarnbelts vorerst nicht durch den Grossen Belt zu fahren, sondern ein Nebenfahrwasser hinter der Insel Langeland (c) zu nutzen. Diese Route ist auf jeden Fall geschützter als der Hauptweg. Die Insel Langeland trennt auf einer Länge von fünfzig Kilometern den Lundeborgbelt vom Grossen Belt. Langeland (c) ist ein durchgehend schmales Landstück, dessen Breite zwischen drei und maximal elf Kilometern schwankt. Kurz nach dem Kreuzen des Kiel-Gedser-Weges - Fehmarn ist gerade außer Sicht - und der Begegnung mit einigen großen Frachtern, setze ich die Dänische Gastflagge.


Kiesbey's Hus in Nyborg ~ 30 kb
Begegnung mit einem Containerfrachter im Fehman-Belt

Die Dänische Flagge - gif-Animation ~ 20 kb


Die Dänische Gastflagge wird gehißt


Um 13:00 erreichen wir den Wegpunkt an der Südspitze der Insel Langeland (c) und steuern das etwa 13 Seemeilen entfernte Klordyp an. Die schmale betonnte Durchfahrt ist ein Tor zur Dänischen Südsee und die Einfahrt zum Hafen von Marstal.
Noch weit in die von den Inseln Langeland (c) und Aero (b) umrandete Bucht hinein macht uns ein Gegenstrom von bis zu einem halben Knoten zu schaffen, der schon im Fehmarnbelt für eine beträchtliche Fahrtminderung gesorgt hatte. Ich muss dazu anmerken, die Marschgeschwindigkeit der "Tammina" beträgt bei einer Motordrehzahl von 1.230 U/min gerade mal 5,8 Knoten und in diesem Sommer sogar nur 5,4 Knoten bei leicht erhöhter Drehzahl von 1.310 U/min, da das Schiff schon zwei Winter und einen Sommer im Wasser verbracht hat. Es ist reichlich mit Muscheln und Algen bewachsen.
Nachdem wir das Klordyp und kurz darauf Marstal, eine alte und bekannte Seefahrerstadt, Heimat der schnellen und seetüchtigen "Marstal-Schoner" und den betriebsamen Hafen passiert haben, führt unser Kurs durch den Ostteil der Dänischen Südsee. Vorbei geht es an kleinen malerischen Inseln mit Kurs auf die historische Hafenstadt Rudköping auf Langeland (c). Auf unserem Weg begegnen wir zahlreichen anderen Schiffen. Eine schmucke Fähre ist Teil der Infrastruktur und gehört in der dänischen Inselwelt zum öffentlichen Nahverkehr.


Die Aero-Fähre 30 ~ kb

ÖPNV in der dänischen Inselwelt


Ein holländischer Zweimaster kommt uns unter vollen Segeln kurz vor dem Zielhafen entgegen. Immer häufiger trifft man die holländischen Tradionssegler auch in dänischen und schwedischen Gewässern an, wo sie mit Chartergästen unterwegs sind.

Zweimaster 30 ~ kb

Holländischer Zweimaster


Kurz darauf erreichen wir Rudköping, die idealen Wetter- und Windverhältnisse überzeugen uns, die Reise fortzusetzen.Erst am Abend laufen wir um neun Uhr Nyborg (4), den ehemaligen Fährhafen am Grossen Belt an. Durch die neue imposante Store-Belt-Brücke, die den Meeresarm an dieser Schmalstelle überspannt, hat Nyborg (4) als Hafen an Bedeutung verloren und wird in der Zukunft wirtschaftlich schweren Zeiten entgegenblicken. Die verwaisten Fährpiers machen einen tristen und verwahrlosten Eindruck, man mag nicht meinen, dass hier noch vor vier Jahren die Fährschiffe im Fünfminutentakt an- und ablegten.
Im Osthafen finden wir einen hübschen Liegeplatz in einer ansprechenden Umgebung. Leider hat sich die Hafenbehörde entschlossen, die elektrischen Anschlüsse am mittleren, von uns benutzten Schwimmsteg nur mit jeweils 600 Watt abzusichern, so dass wir noch nicht einmal ein Ladegerät betreiben können, nur die Mobiltelefone bekommen ein wenig von dem Saft, der aus der Dose kommt. Nachdem wir die letzten beiden gefüllten Paprikaschoten mit Genuss verzehrt haben, machen wir noch einen kurzen Abendspaziergang durch den um diese Zeit - halb elf Uhr abends - wie ausgestorben wirkenden Stadtkern Nyborgs. Erika entdeckt ein dicht beim Hafen gelegenes, aufwändig restauriertes Fachwerkhaus aus dem Jahr 1727, das, wie es die Inschrift besagt, "Kisbye's Hus". Es ist dies anscheinend der Stammsitz ihrer Familie, denn sie ist eine geborene "Kiesbuy", wie der ehemals dänische Name eingedeutscht wurde. Erst gegen elf wird es dunkel. Bald - am 21.Juni - ist Mittsommernacht und allabendlich zeigt sich am nördlichen Teil des Nachthimmels ein heller Streifen, der eine Vision auf die nicht untergehende Sonne im hohen Norden gewährt. Wir sind erschöpft von der langen Reise -immerhin haben wir 67 Seemeilen hinter uns gelassen- und auch der Tag an der frischen Luft fordert seinen Tribut. Kaum haben wir uns hingelegt, fallen wir in tiefen Schlaf.

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Mitstrom im Grossen Belt - Von Nyborg nach Langör/Samsö
Ein Gewittersturm, aber unser Anker hält


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